Es geht auch um Menschen

Standpunkt: Was die Malediven von der Ostsee unterscheidet

OceanCare hat in einer dramatischen Pressemitteilung auf eine drohende Ölsuche mit Schallkanonen vor den Malediven hingewiesen und sieht die Unterwasserparadiese für 1,2 Millionen Touristen, die die Malediven jährlich besuchen, in Gefahr. Allerdings sind auch auch 330.000 Menschen, die auf den Inseln Leben, in Gefahr. Wenn die Prognosen auch nur halbwegs zutreffen, wird es bis zum Ende des Jahrhunderts die Malediven nicht mehr geben, weil der Meeresspiegel dann so hoch angestiegen ist, dass die Malediven einfach verschwunden sind. Dass zu diesem verheerenden Klimawandel, so er den eintritt, ganz wesentlich die westliche Welt beigetragen hat, die über Jahrhunderte fossile Energien im Unverstand verbrannt hat, ist auch klar. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Tragik, dass die Malediven jetzt, eher in einem Akt der Verzweiflung, auf Erdöl hoffen. Ob der der Exploration überhaupt Öl gefunden wird ist fraglich, und wenn, dann stellt sich noch immer die Frage, ob es wirtschaftlich ist, die Vorkommen überhaupt auszubeuten. Wie schnell so etwas zum Boomerang werden kann, erlebt gerade die amerikanische Ölindustrie. Nachdem die Saudis die Ölhähne voll aufgedreht haben, gehen in den USA die Firmen, die auf Fracking gesetzt haben, reihenweise pleite.

Malediven haben keine Perspektive

OceanCare hat seiner Kampagne gegen die Ölsuche den Titel „Notruf aus dem Malediven“ gegeben und damit eigentlich den Nagel auf den Kopf getroffen – allerdings wohl ungewollt. Es macht nämlich einen großen Unterschied gegen die Schallkanonen, die in Ost- und Nordsee Schweinswale bedrohen, zu protestieren, als gegen die, die auf den Malediven große Meeressäuger treffen könnten. Warum? Wer gegen die Erdölsuche auf den Malediven protestiert, muss gleichzeitig eine sinnvolle Perspektive für ein Land mitliefern, das vom Untergang bedroht ist. Und das tut OceanCare nicht. Die Malediven stehen buchstäblich vor dem Absaufen und die Ölsuche ist dieser Balken im Meer, an den sie sich klammern. Bildlich gesprochen ist das so, als wolle OceanCare den Malediven den Balken wegnehmen, aber keinen Rettungsring zuwerfen.

Klimawandel kein Asylgrund

In spektakulären Situationen haben die Malediven immer und immer wieder auf ihre schlimme Situation hingewiesen. Es wurden sogar Kabinettssitzungen unter Wasser abgehalten. Auf zahllosen Umweltkonferrenzen haben sich die Malediven zum Sprecher der kleinen Inselstaaten gemacht. Was war die Reaktion? Australien hatte, stellvertretend für die westlichen Staaten, schon mal angekündigt, dass der Klimawandel kein Asylgrund sein könne – denn die ersten Flüchtlinge aus Polynesien standen schon vor der Tür.

Kiribati kauft Land für seine Bevölkerung

Ein anderer kleiner Inselstaat hat bereits reagiert. Kiribati hat für seine bedrohte Bevölkerung Land auf anderen Inseln gekauft. Ob das sinnvoll war, darüber streiten sich die Experten. Aber es zeigt doch einen Trend: Wenn niemand Klimaflüchtlinge aufnehmen will, dann müssen sie sich irgendwo einkaufen und dafür braucht man Geld – Geld das vielleicht so Ministaaten wie Tuvalu haben, weil der seine Top-Level-Domain .tv an alle Fernsehanstalten der Welt verticken konnte. Aber solch ein Exportschlager fehlt den Malediven. Öl vor der Haustür könnte das ändern. Es bräuchte auf der Welt nur ein Fleckchen Erde so groß wie der ehemalige Flughafen Tempelhof, dann könnte man dort alle Malediver unterbringen. Doch so wie es scheint, wird sich das Land den irgendwo käuflich erwerben müssen. Da wären ein paar einträgliche Ölquellen schon hilfreich.

Notruf aus der anderen Richtung

Die Malediven gehören zu den ärmsten Staaten der Welt. Sie sind vom Untergang bedroht. Vielleicht ist ja die Ölsuche an sich genau der „Notruf aus dem Malediven“ und bedeutet: „Verdammt noch mal, helft uns endlich. Wenn ihr es nicht tut, müssen wir nach anderen Wegen suchen.“ Und das sind Wege, die der maledivischen Regierung wohl auch nicht besonders gefallen – das erklärt auch die Geheimniskrämerei bei der Umsetzunmg eines Wahlversprechens. In anderen Orten der Welt geht das gerade anders herum.

Dass wir uns richtig verstehen: Das ist weder ein Plädoyer für Ölexplorationen jeglicher Art noch ein Versuch für Verständnis für Schallkanonen zu werden. Ganz im Gegenteil. Wer das alles nicht will, muss dabei helfen, eine sinnvolle Perspektive für das Land und seine Bewohner zu entwickeln.

Peter S. Kaspar