Die grüne Chance

Standpunkt: Wie sich Ägypten neu erfinden will

Wer Ägypten seit Jahren kennt, vor allem Menschen, die dort leben, ist vielleicht ein wenig skeptisch, bei den Umweltzielen für den Tourismus, die Minister Hisham Zaazou auf der ITB vollmundig verkündete. Aber warum denn nicht? Wer die Krise, in der Ägyptens Tourismus seit Jahren steckt, auch als Chance begreifen will, kommt an solchen Überlegungen gar nicht vorbei. Hier kann sich der Tourismus des Landes als Wachstumsmotor in ganz anderer Hinsicht erweisen. Ein Beispiel: Wenn ein Hotel seine eigene Energieversorgung auf Solarenergie umstellt, wird es relativ schnell relativ viel Geld einsparen, weil kein Diesel mehr verbrannt wird, der inzwischen auch in Ägypten teuer geworden ist. Spätestens dann schielt der eifersüchtige Nachbar auf die Sonnenkollektoren und will sie dann auch haben.

Die Skepsis, dass die Trendwende in der Tourismusindustrie gelingen kann, speist sich aus der angeblichen Kenntnis der Mentalität der Ägypter. Wenn die wirklich so wäre, dann hätte sich das Land vor allem an der Küste in den letzten 20 Jahren nicht so rasend schnell entwickelt. Damals gab man einem Ägyptenreisenden noch die Empfehlung mit, am Roten Meer ja nicht krank zu werden, weil die medizinische Versorgung verheerend sei. Inzwischen gibt es in und um Hurghada ein halbes Dutzend ausgezeichnete Krankenhäuser, die sogar um kranke europäische Touristen, etwa Dialyse-Pantienten werben. Es ist also mitnichten so, dass es im Ägypten keinen Fortschritt gäbe.

Natürlich fällt es schwer, an die grüne Wende zu glauben, wenn man die verdreckten Straßen sieht. Allerdings war da, wo jetzt Straßen sind, vor 20 Jahren noch Wüste. Vielleicht sind ja in 20 Jahren die Straßen blitzsauber. Außerdem gibt es ja etliche Beispiele, wo es bereits funktioniert. El Gouna hat kein Müllproblem. Auch Port Ghalib ist sehr sauber. Für die Medinate wie Makadi, Sahl Hasheesh oder Coraya gilt das sowieso. Klar kommt dann sofort der Einwand: Das sind aber Kunststädte. Ja und? Wenn von ihnen der Impuls ausgeht, dass sich das Land ändern kann, dann sind Kunstsstädte eine feine Sache.

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Kehrwoche in Hurghada Foto:psk

Ein Symbol der Revolution war, dass die Demonstranten morgens den Tahrir gefegt haben. In anderen Städten machte das Schule. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich die Mentalität ändert? Wer mal an einem ganz normalen Tag morgens zwischen zehn und zwölf die Sheraton-Road in Hurghada entlang spaziert – was kein Tourist tut – stellt fest, dass es da zugeht, wie bei der Schwäbischen Kehrwoche.

Am Ende geht es wirklich um eine Mentalitätsänderung und zwar nicht dahingehend, dass Ägypten ein klinisch reines Land oder ein ökologischer Vorzeigestaat wird. Es geht darum, Vertrauen in die eigene Stärke zu gewinnen und um die Überzeugung Misstände überwinden zu können. Dazu braucht es Erfolgserlebnisse und diese Erfolgerlebnisse kann eine grüne Wende im Tourismus erzeugen. Ob sie wirklich Erfolg hat, kann keiner sagen. Aber sie als Ziel zu formulieren ist doch schon ein guter Anfang.

Peter S. Kaspar