Ist der Moloch doch ein Mythos?

Was ist dran am Hurghada-Bashing?

Fast täglich kann man den Satz in den einschlägigen Foren und Gruppen im Internet lesen: „Bloß nicht Hurghada“. Doch was ist daran Mythos und was ist Wirklichkeit? Ist die Hauptstadt der Provinz Red Sea und größte Urlaubsmetropole am Roten Meer wirklich unbesuchbar? Sind die Riffe um die Inseln von Giftun und Abu Ramada wirklich alle komplett totgetreten?

Vorab ein, zwei Sätze zur Geschichte Hurghadas: Noch vor 30 Jahren lebten in dem Ort und seinen damals zwei Stadtteilen Dahar und Sekala 5000 Einwohner. Inzwischen sind es gut 100 Mal soviel – und es gibt auch deutlich mehr, als nur zwei Stadtteile. Hurghada war der erste Ort am Roten Meer, an dem ägyptische Unternehmer das Tourismusgeschäft selbst in die Hand nahmen. Und in sofern war Hurghada seit je her auch so eine Art Großlabor für den Tourismus in Ägypten.

Das einstige Al-Gardagha (so der ursprüngliche Name) als Perle den Orient zu bezeichnen, wäre wohl selbst dem beredesten Basarverkäufer in Dahar nie in den Sinn gekommen. Schön ist sicher etwas anderes. Dass der Massentourismus der Stadt viele Probleme gebracht hat, räumen selbst die Hurghada-Pioniere heute unumwunden ein. Trotzdem ist die Stadt besser als ihr Ruf. Es gibt zum Beispiel keine jener Betonburgen, die seit Jahrzehnten die spanischen Inseln oder die türkische Riviera verunziehren. Mit Sicherheit sind Ägypter nicht dafür bekannt, sich sklavisch an jede Vorschrift zu halten. Doch die Regel, nicht höher als die Palmen zu bauen, ist im großen und ganzen über all die Jahre eingehalten worden (wenngleich mancher Bauherr offenbar auch sehr hohe Palmen kennt).

Die großzügige Fußgängerzone im südlichen Hurghada oder die mediterane Marina in Sekala haben die Stadt sicher enrom aufgewertet und selbst Dahar wirkt heute viel aufgeräumter, als noch vor 20 Jahren. Hurghada ist vielleicht keine Schönheit, aber doch weit entfernt von dem Moloch-Image, das manche der Stadt geben wollen. Außerdem ist sie mit ihrem großen Flughafen sozusagen das Eingangstor zum Roten Meer, also auch eine Art „Hafenstadt“ – und Hafenstädte hatten schon immer ihr eignes herbes Flair.

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Für Taucher entscheidender ist jedoch die Frage. Wie sieht es mit den Riffen aus? In Hurghada gibt es über 40 Tauchplätze. In der Tat ist an einigen 30 Jahre Tauchsport nicht spurlos vorbei gegangen. Das gilt vor allem für die häufig angefahrenen Tauchplätze an den Giftuninseln. Die meisten dieser Tauchplätze wie Giftun Soraya, oder Shaab Sabina sind leicht zu betauchen und hier sind häufig Anfänger oder Kurse unterwegs. Ähnliches gilt für Carlsons Corner am südlichen Abu Ramada und Gotha Abu Ramada. Doch wer sich nur ein klein wenig auskennt, weiß, dass es zum Teil in der Nachbarschaft atemberaubend schöne Tauchplätze gibt. So ist der Gorgonienwald an Police-Station nach wie vor wunderschön und eben nicht totgetreten. Weiter östlich liegt Erg Somaya, ebenfalls ein toller Tauchplatz, dem keine Schäden anzusehen sind, ebenso wie Erg Camel oder Stone Beach, auch genannt Hamda. Warum es dort so gut aussieht ist schnell erklärt: Es gibt nur wenige Anlegemöglichkeiten und häufig verhindern Wind und Wetter, dass dort überhaupt getaucht werden kann. Doch viel entscheidender ist ein ganz anderer Aspekt: Das sind zum Teil Plätze, an denen Anfänger nicht viel verloren haben, weil sie durch ihre Tiefe und ihre Strömungsverhältnisse ziemlich anspruchsvoll sind.

Oder der Weg ist sehr weit. Gotha Abu Ramada mit seinen 200 Tauchern und 300 Schnorchlern, die da manchmal gleichzeitig ins Wasser springen, gilt vielen als das klassisches abschreckendes Beispiel. Tatsächlich haben die Plätze links und rechts der Anlegebojen sehr gelitten. Doch kaum jemand getraut sich, Gotha Abu Ramada einmal zu umrunden (rund 60 Minuten).  Schlagartig wird es da hinten so schön, dass man versteht, warum Gotha auch das „Aquarium“ genannt wurde.

Neben all der, manchmal auch berechtigten, Kritik, gibt es auch eine Menge Positives, was gerade in und um Hurghada in den letzten Jahren geschaffen und iniziert wurde, was seine Strahlkraft auf ganz Ägypten ausgeweitet hat. Eine ganze Menge davon ist der, oft zu unrecht gescholtenen, Umweltorganisation HEPCA zu verdanken.

Und dann ist da noch El Gouna, das krasse Gegenteil. Diese gerade mal 25 Jahre alte Stadt hat sich zum Gegenentwurf von Hurghada entwickelt. Sie hat Vorzeigeprojekte in Kutur, Erziehung, Bildung und Ökologie zu bieten, El Gouna setzt neue Standards und gilt in vielerlei Hinsicht als Zukunfsprojekt. Zwischen beiden Städten herrscht eine gewisse Rivalität. Aber eines scheint auch klar. Ohne Hurghada hätte es wohl nie ein El Gouna gegeben.

Man muss Hurghada nicht lieben. Aber dieses rigerose Hurghada-Bashing, wie es häufig von Tauchern betrieben wird, ist in dieser Schärfe jedenfalls nicht angebracht. Dass sie heute lieber im Süden tauchen, ist ja verständlich – aber ohne Hurghada würden sie heute auch nicht im Süden tauchen können

Peter S. Kaspar

Foto:psk