Delfine könnten verschwinden

Interview zu Delfintouren vor Hurghada

Vor einigen Tagen sind alarmierende Meldungen im Netz und in den Medien aufgetaucht, nach denen die Delfintouren vor Hurghada zu regelrechten Jagden verkommen sind. Außerdem wird von Augenzeugen berichtet, die bei den Fahrten um ihr Leben gebangt haben. Auch die Silent World Online hat sich in den letzten Wochen ausgibig mit dem Verhältnis Mensch-Delfin beschäftigt. Ralf Kiefner hat dazu schon fachkundige Auskunft gegeben. Aus aktuellem Anlass jedoch hat ihn Silent World Online noch einmal zu den derzeitigen Zuständen vor Hurghda befragt. Außerdem n8immt in diesem Interview auch noch die Meeresbiologin Angela Ziltener von der Dolphin Watch Alliance zu dem Thema Stellung.

Silent World: Es scheint, als seien die Delfintouren vor Hurghada inzwischen zu einem Problem für Mensch und Tier geworden. Was ist dran an diesen Geschichten?

portrait_azAngela Ziltener (Dolphin Watch Alliance):
Einerseits dass die Tiere in Riffgebieten, die tagsüber als Ruhe- und Schlafplätze dienen, von den Booten täglich massiv gestört werden. In dieser Ruhephase werden auch die Kälber gesäugt. Da diese Riffgebiete auch gleichzeitig Tauchgebiete sind, werden diese Plätze lebensgefährlich für die Taucher. Die Boote fahren den Delfinen durchgehend hinterher ohne auf die Taucher oder Schwimmer Rücksicht zu nehmen.

Ralf KiefnerRalf Kiefner:
Die Bilder und Kommentare, die gerade in letzter Zeit in den Medien aufgetaucht sind, sind erschreckend. Da muss unbedingt und so schnell wie möglich etwas geschehen, zum Schutz der Tiere. Ich denke, dass man den Touristen bewusst machen muss, dass ein Verhalten, wie es derzeit von Hurghada geschildert wird, schädigend für die Tiere ist. Dies kann nicht im Sinne der Touristen sein. Schließlich fahren sie dort hin, um die Delfine in freier Wildbahn zu sehen. Es ist ein einzigartiges Erlebnis, wenn man Delfine in ihrem natürlichen Lebensraum erleben kann, mit möglichst geringer Störung ihres natürlichen Verhaltens.

Jemand muss den Anfang machen… und wenn Anbieter nicht von sich aus einen Verhaltenscodex einhalten, müssen sie von ihren verantwortungsvollen Gästen dazu gebracht werden.
Schon seit einigen Jahren gibt es vorgegebene Richtlinien für Hurghada, siehe: http://www.dolphinwatchalliance.org/projekt_recommendations_en.html Ich bitte jeden Gast, sich diese Guidelines vor ihrer Delfin-Tour durchzulesen und darauf zu achten, dass „ihr“ Anbieter sich daran hält.

Nun gelten Delfine ja als besonders intelligente Tiere. Ist es nicht eine Frage der Zeit, wann die Delfinschulen die Riffe und Lagunen zwischen El Gouna und Hamata meiden oder haben die Delfine gar keine andere Rückzugsmöglichkeiten?

Angela Ziltener:
Seit Generationen werden diese Riffgebiete als Schlafplätze genutzt. Die Tiere sind vertraut mit der Gegend, so dass sie sich auch ausruhen können. Diese Gebiete sind übersichtlich und nicht allzu tief. Im offenen Meer müssen sie wachsam sein, da die Gefahr grösser ist, von Räubern wie zum Beispiel Haien, angegriffen zu werden. Auch ist der Schlafplatz abhängig vom nächtlichen Futterplatz.

Die großen Reiseveranstalter wie TUI, Neckermann oder FTI werben ja sogar damit, dass ihre Delfintouren besonders umweltgerecht und im Einklang mit allen Regeln geführt werden. Vor Ort sieht es dann aber oft anderes aus. Was ist von den Beteuerungen der veranstalter zu halten?

Angela Ziltener:
In Hurghada werden die die meisten Delfintouren nicht professionell durchgeführt, da sich fast niemand an den Code of Conduct (vorgegebenen Richtlinien) hält, auch fehlt es an wichtigen Informationen an Bord über die Tiere und ihr Alltagsleben. Die Beteuerung kommt zustande, weil die Touren nicht als „normale“ Schnorcheltour sondern als Delfintour verkauft wird – reine Marketingstrategie.

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Was unterscheidet eine seriöse geführte Delfin-Tour von einem skrupellosen Geschäftemacher?

Ralf Kiefner:
Ein seriöser Anbieter achtet immer darauf, dass die regionalen Richtlinien (Code of Conduct) befolgt wird. Seine Priorität gilt dem Wohlergehen der Tiere und er wird die Gegend verlassen, sobald die Tiere gestört werden (z.B. durch die Anwesenheit zu vieler Boote). Seine Touren werden von ausgebildeten Guides oder Naturforschern geführt, die den Gästen einen Einblick in das Verhalten der Wale und Delfine, sowie in ihren Lebensraum und der Ökologie der Umgebung, geben.

Wie sollte sich ein Gast verhalten, der erkennt, dass er buchstäblich „auf dem falschen Dampfer“ sitzt, spricht, der mit einem unseriösen Anbieter unterwegs ist?

Ralf Kiefner:
Wenn Gäste der Meinung sind, dass sich Ihr Anbieter nicht an vorgegebene Richtlinien hält (siehe den Link weiter oben), sollten sie ihn darauf hin weisen und gegebenenfalls darauf drängen, dass er die Guidelines befolgt. Ich finde, dass man als zahlender Gast ein Recht darauf hat, dass die Tiere immer mit Respekt behandelt werden. Wenn die Aufforderungen nicht ausreichen, um den Anbieter zu verantwortungsvollem Verhalten zu bewegen, sollten verantwortungsvolle Gäste nicht zögern örtliche Umwelt- und Touristik-Behörden zu informieren. Auf diese Weise können Sie dazu beitragen, dass Wale und Delfine nicht gestresst, gestört oder belästigt werden… zum Wohle der Tiere und zur Sicherheit der Urlauber! Die Personen, die diese Missstände in Hurghada publik gemacht haben, gehört mein Respekt und Dank. Durch ihren verantwortungsvollen Umgang mit den Vorfällen besteht die Möglichkeit etwas daran zu ändern… und dazu sind alle aufgefordert: lokale Anbieter, ebenso wie die Veranstalter und deren Gäste!

Können die Delfintouren zu einem regionalen Verschwinden der Delfinpopulation an diesem Teil der Rot-Meer-Küste führen?

Ralf Kiefner:
Meiner Meinung nach, ja. Jeder sollte sich nur mal in einer ruhigen Minute fragen, wie er reagieren würde, wenn ständig Menschenmassen durch sein Schlafzimmer toben würden. Wenn die Belästigungen der Tiere nicht sehr bald gestoppt werden, müssen möglicherweise die Delfinbuchten für den Tourismus gesperrt werden bevor der Delfinbestand stark geschädigt ist oder die Delfine diese Buchten verlassen.

Angela Ziltener
Zur der Delfinpopulation vor Hurghada: Durch die andauernd störenden Boote wird der Schlaf der Tiere massiv gestört, das führt dazu, dass die Kälber nicht mehr regelmässig gesäugt werden können, dass durch zuwenig Schlaf das Energiebudget sinkt, die Tiere nicht mehr fit genug sind um zu jagen oder sich zu verteidigen was längerfristig zu einer Population Abnahme führt. Die Tiere können auch abwandern, diesen Sommer wurden zum Beispiel an dem berühmten Schlafplätz wie Fanouz auch weniger Delfine gesichtet bis gar keine über Tage hinweg. Wir als Wissenschaftler brauchen natürlich noch mehr Daten um dies alles zu beweisen, doch erste Anzeichen gibt es klar und deutlich.

Bilder: Ralf Kiefner/Dolphin Watch Alliance